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Innenarchitektur im Fokus: Ein Interview mit Raf Dauwe


Der gebürtige Belgier Raf Dauwe entwirft seit 2018 immer wieder innovative und unkonventionelle Designs bei OOS. Als Mitglied der Geschäftsleitung leitet er den Bereich Innenarchitektur. Im Interview gibt er Einblicke in aktuelle und wichtige Themen der Innenarchitektur.

Wo siehst du in Zukunft die grössten Herausforderungen und Potentiale in der Innenarchitektur?

Wir haben grossen Einfluss darauf, wie unsere Bauherrschaft und Nutzenden ihre neuen Räume erleben: Sie sollen sich wohlfühlen! Gebaute Umgebung entfernt sich immer mehr von der Natur, die einst unser Habitat war. Umso wichtiger ist es, Räume zu schaffen, die behaglich, spannend und ästhetisch anspruchsvoll sind.

Licht, Luft, Temperatur, Akustik, Haptik, Form und Farbe aber auch Ehrlichkeit, Überraschung und Integrität prägen den Raum. Eine gute Balance ist wichtig. Das Rezept versuchen wir bei OOS immer wieder neu zu definieren und zu optimieren, auch immer mit Blick auf den ökologischen Fussabdruck des Gebäudes.

Wie geht ihr in einer sich schnell verändernden Welt mit dem Bedarf an flexiblen und anpassungsfähigen Innenräumen um? 

Das ist ein wichtiges Thema. Ich denke, Langlebigkeit ist immer noch eine der wichtigsten Voraussetzungen für Nachhaltigkeit. Wir versuchen immer, das Thema Flexibilität in unseren Entwürfen mitzudenken. Heute mehr denn je auch das Thema Rezyklierfähigkeit und Kreislaufwirtschaft.

Man muss aber auch das Design an sich betrachten. Gutes Design, das auf starken und sinnvollen Konzepten basiert und sich mit seinem Kontext und Nutzenden auseinandersetzt, wird immer länger überleben als das Modische, Oberflächliche oder Generische.

Der aktuelle Diskurs ist stark von ökologischen Aspekten geprägt. Welche Nachhaltigkeitsprinzipien verfolgt OOS mit Clever Interiors?

Der grösste Hebel ist wahrscheinlich die Masse. Wir versuchen, mit möglichst guten Ideen Wirkung zu erzeugen, nicht unbedingt mit grossen Gesten, die viel Material und Platz verschlingen. Anderseits versuchen wir auch, die Anforderungen an Räume möglichst sinnvoll zu definieren.

Wir kommen aus einer Zeit, in der alles immer «besser» wurde, weil wir es uns leisten konnten. Nun kommt die Zeit, in der wir alles kritisch hinterfragen sollten: Braucht es das wirklich? Muss das so gut gedämmt sein? Muss man das erneuern? Braucht es die Komfortlüftung oder kann man auch das Fenster aufmachen? Da müssen alle mitdenken, nicht nur die Planenden, sondern auch die Bauherrschaften, Nutzenden und Behörden.

Weiterhin versuchen wir, Materialien in ihrer natürlichen Erscheinung zu verwenden, möglichst einfache Details zu konzipieren und Elemente so zu verbauen, dass sie später wieder getrennt werden können.

Welche Rolle spielen Ästhetik und Designinnovationen? Und wie wird die richtige Balance mit funktionalen Anforderungen gefunden?

Jedes Design entsteht in einem Kontext, hat einen guten Grund und bestimmte Nutzende. Diese Faktoren sind immer Bestandteil von unserer Arbeit. Auch versuchen wir den Nutzen immer nochmals zu hinterfragen und eventuell neu zu überdenken. So entstehen innovative Lösungen. Mit unseren Entwürfen möchten wir eine Geschichte erzählen, ein prägendes Konzept, das meist auch die Ästhetik mitbestimmt oder zumindest als gute Referenz dienen kann.  

Eine Abwägung ist nicht erforderlich. Die funktionalen Anforderungen sollten wir immer erfüllen, soweit wir sie als sinnvoll erachten. Wir sind keine Künstler. Wir entwerfen Räume, die intensiv genutzt werden und funktionieren sollen. Konzeptionelles und ästhetisch anspruchsvolles Design ist uns sehr wichtig. Aber wenn man merkt, dass man Sklave seines eigenen Konzepts wird, muss man es auch mal durchbrechen können. So entsteht Unerwartetes. Das kann sehr erfrischend sein. Ich bin auch ein Fan von einem gewissen Mass an Pragmatismus. Eine einfache, offensichtliche Lösung, liebevoll ausformuliert und detailliert, funktioniert oft sehr gut.

Was unterscheidet OOS von einem klassischen Innenarchitekturbüro?

Unsere Arbeit ist sehr breit gefächert, von Innenarchitektur bis Städtebau. Unsere internen Prozesse unterliegen einem engen Austausch und wir haben sehr holistische Herangehensweise. Unsere Innenarchitektur wird stark von der Architektur geprägt und umgekehrt. Ich denke, das ist ein nicht zu unterschätzender Mehrwert.

Die Grösse des Büros und die Diversität im Team bieten Vorteile und Möglichkeiten, die wir gerne nutzen. Nicht nur ein breites Wissen, sondern auch Technologien wie CAD, BIM, Visualisierung und VR, 3D-Druck, Lichtplanung, usw. stehen uns zur Verfügung und werden auf hohem Niveau weiterentwickelt. All diese Möglichkeiten nutzen wir intensiv im Design- und Planungsprozess. So können wir unsere Entwürfe prüfen und sie auf Augenhöhe mit allen Projektbeteiligten diskutieren. Diese Integration verleiht unserer Innenarchitektur einen hohen Stellenwert in jedem Projekt, auch wenn die Architektur bereits feststeht.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Welches Projekt inspiriert dich auch noch nach Jahren?

Ohne konkrete Räume zu nennen, hat mir zum Beispiel die Architektur von Barragán immer sehr inspiriert. Er hat die Moderne und den Minimalismus auf eine sehr humane und taktile Weise interpretiert, was damals nicht sehr üblich war. Seine Arbeit ist auch heute noch relevant.

Auch Rem Koolhaas war immer ein Vorbild. Er hat die Architekturgeschichte des letzten Jahrhunderts auf seine ganz eigene Weise verarbeitet. Als Meister im Erzählen von spannenden Geschichten nutzt er clevere Analogien und Referenzen.

Aber auch heute passiert viel Spannendes. Zum Beispiel De Vylder Vinck Taillieu , die den Umgang mit dem Bestand und die Anforderungen an den Raum komplett neu denken. Oder Muller Van Severen, die mit ihren Möbeln versuchen, die Grenze zwischen Kunst und Design aufzuweichen.